METAMORPHOSES
Evolution ist erst durch die Verwandlung von chemischen, biologischen und geologischen Transformationsprozessen als solche erkennbar. So ist die evolutionäre Anpassung einer Pflanze an ihre jeweiligen Umweltbedingungen oder die Umwandlung der mineralogischen Zusammensetzung eines Gesteins durch geänderte Temperatur- und/oder Druckbedingungen typische Ausprägungen der Evolution. Goethe definierte Metamorphose am Bauprinzip einer Pflanze. So ist sie eine Wahrheit und Notwendigkeit als wirksames Bauprinzip der organischen Natur.
Gesetzhafte Vorgänge von Umwandlung einer Grundgestalt, der rhythmische Wechsel von Ausdehnung und Zusammenziehung sind nach Goethe Merkmale eines lebendigen Bildungsgeschehens. Weil aber die Materie nie ohne Geist, der Geist nie ohne Materie existiert und wirksam sein kann, so vermag auch die Materie sich zu steigern, wie es sich der Geist nicht nehmen lässt, anzuziehen und abzustoßen. Mythologisch wurde der Begriff Metamorphose fast von allen Kulturformen in unterschiedlicher Form gedeutet. So bezeichnet sie den Gestaltenwechsel oder die Verwandlung einer Gottheit, eines mythischen Wesens oder eines Menschen, seltener von Tieren oder Objekten. Dieser kann vorübergehend oder dauerhaft sein. Häufig verläuft die Verwandlung einer Gottheit oder eines Menschen in ein Tier - besonders die Vogelmetamorphose ist ein beliebtes Thema - aber auch in eine Pflanze oder ein Gewässer. Eine besondere Form der Verwandlung ist die Versteinerung. Eine Verwandlung kann auch einen Geschlechtswandel beinhalten. Die Metamorphosen (lateinischer Originaltitel Metamorphoseon libri: "Bücher der Verwandlungen") des römischen Dichters Ovid, geschrieben vermutlich ab dem Jahr 1 oder 3 n. Chr. bis um 8 n. Chr., sind ein in Hexametern verfasstes mythologisches Werk über Metamorphosen ("Verwandlungen"). Die Metamorphosen bestehen aus 15 Büchern von je etwa 700 bis 900 Versen und beschreiben die Entstehung und Geschichte der Welt in den Begriffen der römischen und griechischen Mythologie. Dabei wurden etwa 250 Sagen verarbeitet. Seit seinem Erscheinen war es stets eines der populärsten mythologischen Werke überhaupt und sicherlich das den mittelalterlichen Schriftstellern und Dichtern am besten bekannte. Somit hatte dieses Werk einen enormen Einfluss auf die Literatur des Mittelalters sowie auf die bildende Kunst vom Mittelalter bis zum Barock.
Ovid wählt die in Mythen häufig anzutreffenden Verwandlungsgeschichten zum Thema, in denen meist ein Mensch oder ein niederer Gott in eine Pflanze, ein Tier oder ein Sternbild (Katasterismos) verwandelt wird. Das Werk beginnt mit der Entstehung der Welt aus dem Chaos und einer großen Flut, die nur ein Menschenpaar (Deukalion und Pyhrra) überlebt, und es endet mit der Verwandlung von Caesars Seele in einen Stern. Ovid bewegt sich von einem Beispiel zum anderen, indem er sich durch die Mythologie arbeitet; häufig springt er dabei auf scheinbar beliebige Weise von einer Verwandlungsgeschichte zur nächsten. In Wahrheit sind die Übergänge zwischen den einzelnen Verwandlungssagen jedoch äußerst kunstvoll. Dabei mischt er zentrale Szenen der griechischen Mythologie mit eher abgelegenen Mythen.
Sinnbildlich kann Metamorphose als Transformationsprozess der eigenen Individualität verstanden werden. Die Suche nach dem eigenen Ich und damit die notwendige fortwährende Verwandlung des eigenen Ichs ist eine typische Ausdrucksform in unserer modernen Gesellschaft und stellt die größte Herausforderung für jeden Menschen dar vor dem Hintergrund immer schnellerer Veränderungen und damit notwendiger Anpassungen. Viele zeitgenössische Künstler versuchen diese Veränderungen in unterschiedlicher Ausdrucksform genauer unter die Lupe zu nehmen. Dabei fokussieren sich einige auf die technologischen Entwicklungen und deren Folgen für die Menschheit (Taisia Korotkova). Andere verleihen neues Leben über die Transformation von anorganischen Materialen in organische Lebensformen (Lionel Sabatté). Erstreckt sich die Transformation lediglich auf (an)organische Veränderungsprozesse oder sogar noch weiter hinein in die menschliche Seele (Natacha Ivanova)?
All diese Experimente verdeutlichen die Künstler über ihre eigenen Erfahrungen und deren Umsetzung in konkrete Kunstwerke am Ausstellungsort. Ähnlich wie bei KOSMOS SEVEN, wo jeder Künstler sein künstlerisches Schaffen und individuelle Interpretation von Kosmos in den entsprechenden Räumlichkeiten von Schloss Pörnbach konzeptionell umgesetzt hat, werden die teils klassischen, barocken Räume oder Landwirtschaftsgebäude zweckentfremdet und dem Schaffen der Künste gewidmet.
von Natacha Ivanova